Nein, ich rechtfertige mich nicht und habe doch schon damit begonnen. Wofür? Zum Beispiel dafür, dass während den letzten sieben Monaten keine neuen Texte den Weg in meine Wortkiste gefunden haben. Über diese Kiste bin ich beim Umziehen gestolpert – hier schreib ich nun und kann nicht anders. Eine kleine Frage an mich selbst und selbstverständlich auch an den Leser: Wenn ich nichts sage, dann schweige ich. Was aber tue ich, wenn ich nicht schreibe? Nicht dassdas Ausbleiben meiner Texte den Untergang der Welt bedeutet, aber beunruhigend bleibt diese schreiberische Stille trotzdem.
Ich möchte mich nicht rechtfertigen, dafür aber beschweren. Worüber? Zum Beispiel darüber, dass ich in den letzten Monaten zu wenig oder aber zu viel Zeit hatte, um zu schreiben. (Zeit haben, ein grauenhafter Begriff – fast so schlimm wie Text in Klammern.) Oft beschwert man sich, um sich Erleichterung zu verschaffen. Nimmt man diese Worte genauer unter die Lupe, zeigt sich rasch ein Widerspruch: sich beschweren und sich erleichtern sind offensichtlich Gegensätze. Die Erleichterung, welche sich nach der Beschwerde einstellt, ist trügerisch und von kurzer Dauer. Wer sich beschwert, kann zwar Dampf ablassen, macht damit aber die eigene Welt wieder etwas schlechter, als sie schon ist. Man lädt sich zusätzlich Sorgen auf bis man diesen Berg nicht mehr (er)tragen kann und unter der Last zusammenbricht.
Ich halte für einen Moment inne und lese die schon geschriebenen Zeilen nochmals durch. Ich lese und zähle Folgendes: In diesen ersten beiden Abschnitten des Eintrags finde ich auf die Schnelle zwanzig negativ konnotierte Wörter und acht verneinende Satzkonstruktionen. Das ist – gelinde gesagt – schockierend, aber nicht das erste Mal. Meine Texte tendieren dazu, in ihrer Grundstimmung negativ – oder euphemistisch ausgedrückt: kritisch – zu sein. Mit echter Erleichterung durfte ich feststellen, dass ich nicht der einzige Blogger bin, welcher scheinbar nur negative Texte zu Blatt bringt. Das Internet und vor allem Blogs bieten einen wunderbaren Nährboden für Schwarzseherei, Polemik und Beschwerden aller Art. Etwas überspitzt formuliert, kann man das Internet gerne als schwarzes Loch - randvoll gefüllt mit Negativem – bezeichnen.
Woher mag diese negative Grundstimmung in vielen Texten kommen? Vorschnell und oberflächlich betrachtet kann man sagen :“Das liegt nun mal in der Natur des Menschen. Punkt um.“ Meiner Meinung nach ist die Ursache nicht in der Natur des Menschen, sondern in jener des Denkens zu suchen: Dem Denken haftet eine unentrinnbare Melancholie an. Diese hat unterschiedliche Gründe: Zum einen ist es uns nicht möglich, das Denken von einem objektiven Standpunkt aus zu betrachten. Zwar sind wir in der Lage ,über das Denken nachzudenken, abschließende Antworten finden wir dabei allerdings nicht. Zum anderen ist unser Denken schon von klein auf sprachlich. Unsere Sprache setzt unserem Denken enge Grenzen und ob es außerhalb des Sprachlichen etwas gibt, ist ungewiss. Des Weiteren ist es uns ebenso unmöglich, das Denken eines anderen Menschen voll und ganz zu durchschauen; geschweige denn, Gedanken zu lesen. Diese und weitere Gründe (siehe unten), geben unserem Denken eine immerwährende, melancholische Note.
Wer nun schreibt, denkt zwangsläufig bevor er oder sie den Stift auf das Blatt setzt oder auf der Tastatur zu tippen beginnt. Wie viel man denkt spielt keine entscheidende Rolle; dafür aber, dass sich die Melancholie – die dem Denken anhaftet – unbewusst auf das Blatt überträgt. Die Melancholie des Denkens pflanzt sich in unserem Schreiben fort und das Resultat fällt dementsprechend aus.
Wer nun schreibt, denkt zwangsläufig bevor er oder sie den Stift auf das Blatt setzt oder auf der Tastatur zu tippen beginnt. Wie viel man denkt spielt keine entscheidende Rolle; dafür aber, dass sich die Melancholie – die dem Denken anhaftet – unbewusst auf das Blatt überträgt. Die Melancholie des Denkens pflanzt sich in unserem Schreiben fort und das Resultat fällt dementsprechend aus.
An dieser Stelle verweise ich gerne auf ein Buch von Georg Steiner, welches den Titel „Warum denken traurig macht – Zehn (mögliche) Gründe“ trägt und aus . Darin werden Gründe für die Melancholie des Denkens ausführlich beschrieben. Empfehlenswerte Herbstlektüre.
Es liegt mir fern, negative, anklagende, sorgenvolle, polemische oder schwarz seherische Texte allgemein als schlecht zu bezeichnen. Ihre Häufung aber ist ein Grund zur Sorge; besteht doch die Gefahr, das eigene Weltbild noch weiter zu verzerren. Wer sich beschwert, erleichtert sich nicht. Dieser Negativität tritt man am besten mit einer gehörigen Portion Kreativität gegenüber und beobachtet Texte schon im Entstehen genau: Wie entwickelt sich mein ursprünglicher Gedanke? Droht er wieder abzudriften? Wollte ich wirklich das schreiben, was jetzt da steht?
Negative Texte müssen sein und vielleicht macht Abwechslung das Leben tatsächlich süß; Texte aber in jedem Fall besser.
Negative Texte müssen sein und vielleicht macht Abwechslung das Leben tatsächlich süß; Texte aber in jedem Fall besser.
Total: über fünfzig negativ konnotierte Wörter und siebzehn verneinende Satzkonstruktionen. Verbesserungspotenzial ist definitiv vorhanden.